Immer ‚eene van ouns‘ geblieben

Volksbank-Vorstand Jürgen Timmermann tritt mit 60 Jahren aus seinem „Traumjob“ ab – und macht im Wertekontor weiter

Quelle: Grafschafter Nachrichten 8. Dezember 2022; Autor: Rolf Masselink;

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Ob in jungen Jahren auf dem Fußballplatz oder heutzutage beim Tennisturnier, ob in der Skatrunde mit Nachbarn oder bei der Oldtimerrallye in seinem 70er-Jahre-BMW: Jürgen Timmermann setzt auf Sieg. Der hagere 1,95Meter-Mann ist ein Kämpfer, der seine
Ziele fest in den Blick nimmt und sich nicht so leicht davon abbringen lässt. Wenn er antritt, will er gewinnen. Diese Charakterzüge prägen Timmermanns Berufsleben als Vorstand der Grafschafter Volksbank.

Und auch in der Freizeit ist der 60-Jährige ein Macher. „Nach dem BMW hab’ ich fünf Jahre gesucht. Der war damals mit Dreiliter-Sechszylindermotor und 180 PS seiner Zeit weit voraus.“ Ist es Zufall, dass das rassige BMW-Coupé in der Volksbank-Hausfarbe Orange daherkommt?

Seiner Zeit voraus sein, das wollte auch Jürgen Timmermann schon immer. Und dabei doch wie sein klassischer BMW 3,0 CS sicher die Spur halten und die Bodenhaftung nicht verlieren. Mehr als 25 Jahre lang ist der gebürtige Emlichheimer bereits Vorstandsmitglied einer Grafschafter Volksbank.

Vertriebsprofi mit Leidenschaft: Die heutige Grafschafter Volksbank wuchs unter Timmermanns Leitung zur größten Regionalbank im Landkreis – auch, weil er als leidenschaftlicher Vertriebsprofi hartnäckig auf Expansion setzte. „Eine Bilanzsumme
von zweieinhalb Milliarden Euro und fünf Milliarden betreutes Kundenwertvolumen – wir haben ein Wachstum hingelegt wie kein anderer“, sagt er stolz. Das voranzutreiben und zu gestalten, war für den Bänker aus Leidenschaft immer „ein Traumjob“. Aber zum Ende dieses Jahres gibt Jürgen Timmermann mit 60 Jahren seine Vorstandsverantwortung ab. An diesem Freitag, 9. Dezember, wird er offiziell verabschiedet. Auch das wieder ein Ziel, das er schon vor Jahren ins Visier genommen und seitdem zielstrebig angesteuert hat. „Ich bin damals bei der Volksbank Emlichheim schon mit 34 Jahren sehr früh in die Vorstandsverantwortung gekommen“, sagt er. „Deshalb will ich auch früher aufhören und habe schon vor fünf Jahren den Aufsichtsrat gebeten, mit 60 Jahren als Vorstand ausscheiden zu dürfen.“

Man sieht ihn selten ohne Zigarette: Was ist das für ein Mensch, dieser oft verschlossen und wortkarg, manchmal schelmisch oder verlegen wirkende Niedergrafschafter? Auf den Straßen der Grafschaft kennt man ihn als Schnellfahrer, und selten sieht man ihn ohne Zigarette. Aber wer Jürgen Timmermann nicht kennt, könnte ihn eher für einen Handwerker als für einen Bankvorstand halten. Der Eindruck täuscht. Hinter der spröden Fassade steckt ein Macher mit kühl analysierendem Verstand, klaren Vorstellungen und dem unbedingten Willen, Ideen auch umzusetzen.

Es braucht mehr als ein Gespräch zwischen zwei Zigarettenpausen, um hinter diesem Bänker den privaten Jürgen Timmermann, den bodenständigen Niedergrafschafter, den beinahe redseligen und humorvollen Unterhalter und verlässlichen Kameraden zu entdecken. Der wirkt plötzlich gar nicht wie ein distanzierter Bänker, eher wie ein Kumpel, der mit anpackt und mit dem man „Pferde stehlen kann“.

„Ich komme aus einer Arbeiterfamilie“, sagt der 60Jährige selbstbewusst. Seine Mutter arbeitete in der Textilindustrie, der Vater war gelernter Maurer. Jürgen Timmermann, geboren am 29. August 1962, wuchs mit einem jüngeren Bruder und einer deutlich jüngeren
Schwester im Emlichheimer Ortsteil Oeveringen auf.

Die Leidenschaft fürs Landleben und Handwerken prägt Timmermann bis heute. „Ich bin immer ,eene van ouns‘ geblieben“, sagt er. Zu Hause, auf seinem großen und liebevoll restaurierten Resthof in Laar, legt er gern selbst Hand an. Ob Garten-, Holz- oder Maurerarbeiten, für den Bankvorstand alles kein Problem. Auch an eine einfache Elektroinstallation traut er sich schon mal ran. „Ich mache möglichst viel selbst. Auf dem Hof ist immer was zu tun.“ Die Grafschafter Heimat prägt ihn bis heute: Es sind diese bodenständigen Wurzeln, die den Menschen Jürgen Timmermann ausmachen. Seine  Grafschafter Heimat prägt ihn bis heute, obwohl es ihn nach dem Abitur 1981 in Neuenhaus zunächst hinaus in die Welt zog. Im Anschluss an den Grundwehrdienst in Lingen studierte er in Münster fünf Jahre lang Wirtschaftswissenschaften. Timmermann: „Ein tolles Studium“. Nach dem Abschluss als Diplom-Kaufmann sammelte er erste Berufserfahrungen bei einem
Berliner Bankkonzern.

Aber es zog ihn mit Frau und Kind bald zurück in die Niedergrafschaft. So übernahm er im Alter von 29 Jahren 1991 die Leitung des Controlling bei der damaligen Volksbank Emlichheim. Spätestens dort entdeckte er seine Leidenschaft für Menschen und das Kunden- und Kreditgeschäft. Nach zwei Jahren wechselte er ins Kundengeschäft und bekam schnell
Prokura.

Schon mit 34 Jahren zum Vorstand berufen: Jürgen Timmermann war gerade 34 Jahre alt, als die Volksbank Emlichheim ihn Ende 1996 zum Vorstandsmitglied berief. Da hatte die Welt der Raiffeisen- und Volksbanken bereits begonnen, sich radikal zu wandeln. Veränderte Marktbedingungen und verschärfte Auflagen der Bankenaufsicht zwangen immer mehr kleine, zumeist landwirtschaftlich geprägte örtliche Genossenschaftsbanken, sich zu größeren Einheiten zusammenzuschließen. Timmermanns Emlichheimer Volksbank fusionierte im
Mai 2001 mit der Volksbank Veldhausen/Neuenhaus, drei Jahre später folgte die nächste Fusion mit der Raiffeisen- und Volksbank Nordhorn. Und im August 2007 entstand durch Fusion mit der Volksbank Obergrafschaft die heutige Grafschafter Volksbank. Sie ist letztlich ein Zusammenschluss von ehemals sieben Genossenschaftsbanken.

„Diese Fusionen waren die Grundlage unseres Erfolgs“, ist Jürgen Timmermann überzeugt. Aber gerade die letzte große Fusion war mit harten Einschnitten und personellen Konsequenzen verbunden. In enger Abstimmung mit dem Aufsichtsrat wurde die neue, größere Volksbank strategisch neu ausgerichtet, die gesamte Führungsmannschaft neu geordnet. Konsequenz: In den Reihen der Prokuristen drehte sich das Personalkarussell heftig, und drei der bisher vier Bankvorstände mussten gehen. Nur Timmermann
behielt seinen Vorstandsposten. 2009 musste er die Bank sogar zeitweilig allein leiten.

Nur ungern spricht Jürgen Timmermann über diese „schweren Zeiten“. „Das sind Momente, die vergisst man nicht“. Aber: „Zum Job gehört eben auch, Dinge anzufassen, die gemacht werden müssen.“ Lieber lenkt er das Gespräch auf die stete Rückendeckung aus dem Aufsichtsrat und auf die Loyalität der Mitarbeiter – „ein tolles Team“. Dann bricht in ihm schnell wieder der vertriebsorientierte Vollblutbänker durch.

Die Neuausrichtung habe sich ausgezahlt, räsoniert er. Die Bank sei „konsequent als Gewerbe- und Mittelstandsbank ausgerichtet und komplett unternehmerisch aufgestellt worden.“ Deshalb bescheinigt Timmermann seiner Bank heute „die nötige Schlagkraft, um sich Töchter wie das Grafschafter Immobilienmanagement und das Grafschafter Wertekontor leisten zu können.“

Weitermachen im Wertekontor: Apropos Wertekontor: Wer Jürgen Timmermann erlebt hat, weiß, dass er nicht der Typ für einen kompletten Rückzug ins gemütliche Privatleben ist. Timmermann macht weiter – als Leiter des Wertekontors, das mittelständische Unternehmer bei der Übergabe ihres Betriebes an einen Nachfolger betreut. Timmermann: „Das ist Einzelfallberatung auf Augenhöhe.“ Der Vertriebsprofi will ein neues Geschäftsfeld, das
Wachstumschancen bietet, nicht anderen überlassen – auch „um das Portfolio der Bank zu sichern“.

Also wird der 60-jährige Niedergrafschafter sein „total intensives“ Berufsleben „sicher noch ein paar Jahre“ fortsetzen – als Seniorberater im Wertekontor der Volksbank. Dann ist genug geredet. Der Kalender ist prallvoll, der nächste Termin ruft. Und vorher muss noch Zeit sein für eine schnelle Zigarette.

Jürgen Timmermann, Vorstandsmitglied der Grafschafter Volksbank Foto: Grafschafter Volksbank