Quelle: Grafschafter Nachrichten 5. Juli 2023; Autorin: Anke Mücke;
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Steigende Energiekosten, hohe Inflation und ein rasanter Zinsanstieg – das Jahr 2022 hat in der Grafschafter Finanzwelt Spuren hinterlassen. Das wurde bei der jüngsten Vertreterversammlung der Grafschafter Volksbank in der Alten Weberei in Nordhorn deutlich. Vor 221 Vertretern haben die Vorstände Gregor Neuhäuser und Andreas Kinser das vergangene Geschäftsjahr bilanziert und es je nach Geschäftsfeld zwischen „äußerst zufriedenstellend“ bis „eingetrübt“ bewertet. Einbußen gab es vor allem in der privaten Baufinanzierung und im Wertpapiergeschäft. Die Wertpapieranlagen hätten das Ergebnis regelrecht „verhagelt“. Kundeneinlagen und -kredite waren dagegen auf Wachstumskurs. Es war also keine leichte Kost, die das Vorstandsduo den Vertretern präsentierte, sondern ein Resümee mit Höhen und Tiefen. Dazu gab es einen Ausblick auf ein verändertes Filialkonzept. Und bei den anstehenden Wahlen sind Ludger Ennen als Vorsitzender und Gerd-Dieter Hebestreit als Mitglied des Aufsichtsrates bestätigt worden.
„Vollbremsung im Baufinanzierungsgeschäft“
Mit 2,62 Milliarden Euro lag die Bilanzsumme um 192 Millionen Euro über dem Vorjahr. Der Bilanzgewinn in Höhe von 1,5 Millionen Euro verpasst den Vorjahreswert um 1,1 Millionen Euro oder 43 Prozent. An die Anteilseigner der Volksbank werden rund 1,13 Millionen Euro ausgeschüttet. Sie bekommen eine Dividende von 3,5 Prozent.
Das Einlagevolumen stieg um 6,2 Prozent auf 1,51 Milliarden Euro. Noch größer ist das Wachstum bei den Kundenkrediten, die sich um 9,4 Prozent auf 2,02 Milliarden Euro erhöhten. „Ein sehr schöner Zuwachs“, meinte Gregor Neuhäuser. Mit diesem Teil der Zahlen sei er „sehr bis äußerst zufrieden“.
Ein „historisch einmaliges Ergebnis“ bescheinigte Neuhäuser dem Bausparbereich. Um satte 40,9 Prozent liegt das Volumen von 101,3 Millionen Euro über dem des Vorjahres. Zurückzuführen sei dieser enorme Zuwachs auf das heutige Zinsniveau, erläuterte Neuhäuser. Bei den Baufinanzierungen dagegen verfehlen die Zahlen den Vorjahreswert knapp. Sie gingen um 4,5 Prozent auf 95,3 Millionen Euro zurück. Verantwortlich dafür sei eine „Vollbremsung im Baufinanzierungsgeschäft in der zweiten Jahreshälfte“, erklärte der Vorstand. Diese habe sich auch mit einem Rückgang von über zwölf Prozent bei den vermittelten Immobilien bemerkbar gemacht.
Wertpapiere „verhageln“ Ergebnis
Noch deutlicher wirkt sich die abflauende Nachfrage auf die Kreditvermittlung aus: Für die Bausparkasse weist die Bilanz ein Volumen von 19 Millionen Euro aus, was im Vergleich zum Vorjahr einem Rückgang von 42,9 Prozent entspricht.
Das Bewertungsergebnis liegt mit -13,4 Millionen Euro deutlich unter der Vorjahressumme von -1,13 Millionen Euro – ein Rückgang um mehr als 12 Millionen Euro oder 1084,6 Prozent – und das bei einem Vorbewertungsergebnis von 22 Millionen Euro. „Das liegt an den Wertpapieren“, sagte Andreas Kinser den Vertretern. Denn im Wertpapiergeschäft musste die Volksbank einen deutlichen Verlust hinnehmen. Um 26,7 Prozent ist das Volumen auf 23,1 Millionen Euro gesunken. Kinser erklärte, warum: „Die Zinsen sind in aller kürzester Zeit rasant gestiegen. Wenn Zinsen steigen, fallen die Kurse von Wertpapieren.“ Und dieser Wertverlust findet sich nun in der Bilanz wieder.
Doch der Vorstand zeigte auch die Kehrseite der Medaille: „Wir schreiben das jetzt zwar ab, haben einen Riesenverlust. Aber eines Tages ist das Wertpapier fällig.“ Und über die Rückzahlung werde der momentane Verlust im Laufe der Zeit dann wieder ausgeglichen. Unter anderem deswegen blickt die Führungsspitze optimistisch in die Zukunft: „Wir sind gut und stabil unterwegs und gut aufgestellt für das, was kommt“, meinte Kinser.
Änderungen im Filialkonzept
Neben der Präsentation des Zahlenwerks stimmten die beiden Vorstände die Vertreter auf anstehende Veränderungen ihres Filialkonzepts ein. Darüber hinaus soll das sogenannte „Euregio Banking“ weiter ausgebaut und das digitale Angebot zunehmend in den Fokus gerückt werden. Damit solle zum Einen einem veränderten Kundenverhalten Rechnung getragen werden. Zum anderen sei die Veränderung auch als Reaktion auf die anhaltende Bedrohung durch Geldautomatensprenger erforderlich.
Geplant ist, die Filiale an der Denekamper Straße mit der Hauptstelle in Nordhorn zusammenzulegen. Die Filiale war erst vor Kurzem bei einer versuchten Automatensprengung stark beschädigt worden. Auch auf die Filiale in Laar müssen Volksbankkunden demnächst verzichten. Sie wird mit der Filiale in Emlichheim zusammengeführt. „Diese Filiale ist wegen der Nähe zur niederländischen Grenze besonders gefährdet“, erläuterte Andreas Kinser. Zudem kündigte er Investitionen in die Filialen in Emlichheim sowie Blanke und Torbrücke in Nordhorn an.